Aktuelles aus dem Pfarrleben

Geschichte


Kleine Chronik der Pfarre Gratkorn und der Kirche St. Stefan

Aktuell: Ausstellung zum Jubiläum. Für nähere Informationen folgen sie diesem Link: https://pfarre-gratkorn.at/termine/veranstaltungen/ausstellung-650-jahre-pfarre-st-stefan-in-gratkorn/ (wordpress hat da ein Softwareproblem, daher den Link kopieren und in einem neuen Tab oder Fenster einfügen)

Vorgeschichte

Die bei der letzten Renovierung freigelegten Gegenstände (2017) belegen, dass hier eine “villa rustica” – also ein Landhaus als erstes Gebäude errichtet war. Es ist der einzige Fund eine römischen Gebäudes im Gratkorner Becken. Es war in mediterraner Bautechnik gebaut worden und stammt aus der römischen Kaiserzeit. Es wurden keine Gegenstände, die auf die Religion der Bewohner schließen lassen, gefunden.

Im Zuge der Völkerwanderung wurde das Gebiet unserer Pfarre von Karantanern (auch Alpenslawen genannt) besiedelt, die sich vor allem in den fruchtbaren Gebieten niederließen. Ob diese (teilweise) schon Christen waren (eventuell von Aquilea oder Byzanz aus missioniert) ist nicht belegt. Die Karantaner haben sich mit Hilfe der Baiuwaren von ihren Unterdrückern den Awaren befreit. Diese Germanen waren Christen und haben dann auch hier als Wirtschaftssystem das Lehensystem eingeführt. Für die Seelsorge haben sowohl Bischöfe als Adelige Kirchen (Eigenkirchen) errichtet und Priester geholt und versorgt. Ab dem 11. Jahrhundert war ein flächendeckendes Netz von Pfarren errichtet und St. Stefan dürfte darin ein gleichberechtigte Eigenkirche gewesen sein.

Eigenkirche und Kirchenpatronat

In allen Visitationsprotokollen, die erhalten sind findet sich der Begriff des Kirchenpatrons und dass dies zweifelsohne für diese Pfarre der Erzbischof von Salzburg ist. Das bedeutet, dass unsere Kirche und Pfarre von Laien gestiftet wurde und Eigentum der Stifter (vermutlich der Velgauer) war. Die adeligen Stifter haben sich selbst um ihren Pfarrer für ihre Eigenkirche gekümmert und meist hat dieser auch auf dessen Sitz gewohnt. Der Kirchenweiler hieß „Velgau“ und der heutige Felbergraben „In der Velgau“. Der Name Velgau blieb für den Kirchenweiler nur bis ins 15. Jahrhundet, für den Felberbach (Felgabach) aber mindestenst bis 1782 und als Vulgoname Felgaubauer (heute Felberbauer am Ende des Felbergrabens) bis 1893.
Dass das Kirchenpatronat vom Salzburger Bischof ausgeübt wurde und nicht vom Gratweiner Pfarrer zeugt davon, dass St. Stefan keine Filialkirche von Gratwein ist.
Neben den Adeligen haben die Bischöfe selbst auch Pfarren gestiftet. In einigen dieser Pfarren wurden Archidiakon eingesetzt. Die anderen Pfarren wurden dann diesen zugeteilt, was als Archidiakonat bezeichnet wurde. Für unserer heutigen Pfarre ist noch nicht bekannt, ob dies das Archidiakonat war, wo der Archidiakon in St. Ruprecht in Gratwein oder St. Georg in Adriach seinen Sitz hatte, oder ob dies St. Ägid (der spätere Dom) in Graz war, denn 1390 wir St. Stefan im Marchfutterregistet unter St. Ägid zugeordnet.

(Früh?-)Romanischer Kirchbau

Viele Siedler verschiedenster germanischer, christlicher Völker kamen ab ca. 1000 hierher und hab noch freies Land besiedelt und im damals noch bewaldetem Gebiet Rodungsinseln geschaffen (bis ca. 1300). Diese kamen aus Gegenden, wo es bereits gemauerte Kirchen gab.

Aus St. Veit ist bekannt, dass die Menschen dort einen Holzturm mit Flugdach als erste „Kirche“ errichtet hatten. Von unserer Kirche kann dies nur vermutet werden, da schon vermutlich um 1000 eine lange, schmale, gemauerte Kirche mit romanischer Grundform errichtet wurde.

Kurz nach 1000 sind auch St. Stefan in Wien und St. Stefan in Kumberg (und noch viele weitere St. Stefan), beeinflusst von St. Stephan zu Passau, als Eigenkirchen entstanden. Anhand dieser Beispiele gilt es als sehr wahrscheinlich, dass auch hier bei uns  zuständige Adelige (Velgauer?) die Kirche als sogenannte Eigenkirche errichtet haben. Für eine eventuell schon vorher vorhandene Verehrung des Hl. Stephan aus Römerzeit oder durch die um 1000 vorhandenen Christen gibt es keinen Hinweis.

Baukundliche Untersuchung stehen aufgrund der neuen Erkenntnisse dringend an. Die Laibung einer frühromanisches Nische oder eines Fensters der Kirche sowie (lt. P. Clemens Brandtner) romanischer Verputz an der Aussenseite der Westmauer gehört fachkundlich untersucht. Eine Baunaht im Turm und verwendete Materialien könnten bedeuten, dass Teil des Turms vor der Gotik errichtet wurden. Über dem Presbyterium wurde ein Holzrest von einer (romanischen?) Balkendecke oder Bauhilfe bei der Errichtung gefunden und bedarf einer Alterbestimmung. Unter dem Altarraum befindet sich eine Krypta(?), deren Ausmaße in einem Inventar mit 24x12x12 Schuh angegeben werden.
Dies deutet alles darauf hin, dass es sich um eine der ältesten erhaltenen Kirchen (zumindest in Bauteilen) der Steiermark handelt.

Erste urkundliche Nennung – Velgau wird St. Stefan

1373 findet sich die erste urkundliche Erwähnung im Zehentverzeichnis: „in sand Stephans Pfarr“ (hier fällt auf, dass Sankt Stefan als Pfarre bezeichnet wird). P. C. Brandtner dazu genauer im Pfarrblatt 1990-3: “… im Seckauer Lehensbuch. Darin ist verzeichnet, wie im Jahre 1373 Fridrich der Wolf zu Graz … zwai Tail des Hierszehent … in sand Stephans Pfarr erhält.”
2022 haben wir vom Diözesanarchiv eine Fotokopie des Deckblatts und der Seite mit der ersten Erwähnung erhalten.

Von dort weg verdrängt der Name der Kirche St. Stephan den Namen Velgau als Bezeichnung für den Kirchenweiler. Bereits 1390 (Im Marchfutterverzeichnis des Landesfürsten) wird die Ortschaft “sannd Steffan ob Endricz” angeführt. Das Gebäude Kirche wird 1395 erstmals erwähnt.

Pfarrgült und Kirchengült

Im Visitationsprotokoll aus dem Jahr 1544 heißt es, dass die Grafen von Montfort und die Lenghaimer auch Weißeneck genannt, die Stifter der Pfarre sind. Daraus kann vermutet werden, dass nach Verschwinden der Velgauer, die Lengheimer, eine weitere Adelsfamilie u.a. mit Sitz in Graz, die Rechtsnachfolger bezüglich Kirche und Pfarre waren. Im Marchfutterregister 1390 gehört St. Stefan zu St. Ägid (spätere Dom) und das lässt vermuten, dass die Seelsorge durch Priester aus dieser Pfarre hier auf Betreiben der Lengheimer unterstützt von den mächtigeren Monfort durchgeführt wurde. Die Unterstützung war wahrscheinlich wegen des mächtig gewordenen Archidiakon und Pfarrer von Gratwein notwendig geworden. 1449 wird von diesen Adelsfamilien zur Beendigung dieses Zwischenzustands ein Pfarrgült für die Versorgung eines Pfarrers und ein Kirchengült für Erhalt der Kirche gestiftet. Das Wissen um diese Stiftung ist wohl nach der Inkorporation zum Stift Rein in Vergessenheit geraden, den in einem Schreiben an das Stift Rein im 18 Jahrhundert erinnert die Familie der Lengheimer, dass sie die Stifter der Pfarre sind. Mit diesen kleinen Grundherrschaften wurde die Weiterexistenz der Pfarre wirtschaftlich abgesichert. 1450 wird St. Stefan als „ewiges Vikariat“ eingerichtet. Der Archidiakon in Gratwein erhält das Vogtreicht, was wohl zu der Deutung geführt haben könnte, dass St. Stefan eine Tochterpfarre sei, was nicht sein kann, da ja das Kirchenpatronat beim Erzbischof von Salzburg bleibt.
Pfarrer sind seit 1453 (mit Lücken) bekannt. AB 1587 errichtet Pfarre Michael Kuhlbmaier den Pfarrhof (alter Teil des heutigen Pfarrhauses).
Die Pfarrgrenzen bilden sich heraus und sind schon fast die heutigen, außer geringer Verschiebungen in Friesach und dass die Pfarre im Süden bald nach dem Dultbach an der damals bis hierher reichenden Pfarre St. Veit endete.

Stiftspfarre St. Stefan

Ab 1605 sind die Pfarrer dann Zisterzienser aus Rein.

1607 wird die Pfarre Gratwein dem Stift Rein übergeben und somit auf gleiche Stufe wie St. Stefan gestellt. Alle ehemaligen Vikariate und die Hauptpfarre Gratwein sind nun inkorporierte Pfarren des Stiftes Rein

Seit 1630 werden die Matriken (Taufbuch, Hochzeitsbuch, Sterbebuch) geführt. Allerdings ist jeweils ein Buch verschollen. (Taufe 1645-1670, Trauung 1645-1739, Sterbebuch 1645-1684)

1650 wird das heutige Kirchenschiff geschaffen, indem man die Außenmauern je um einen Klafter (= ca. 1,9 m) hinaus setzte. Der Kirchenbau hat heute spätgotische Elemente mit einer spätbarocken Einrichtung.

Pfarre und politische Gemeinde(n) – Aus St. Stefan wird Gratkorn

1770 wird das Gebiet innerhalb der damaligen Pfarrgrenzen geviertelt in Konskriptionsgemeinden, die den Katastralgemeinden Kirchenviertel, Friesachviertel, Forstviertel und Freßnitzviertel entsprechen. Südlich mit der Kirche St.Veit wird die Gemeinde Schattleiten errichtet und ist nur eine der vielen Gemeinden im Gebiet der Pfarre St. Veit.

Die gemeinsame politische und pfarrliche Grenze bleibt nur bis etwa 1786 der Josefinischen Pfarr-Regulierung. Einige Häuser aus der Pfarre St. Veit kommen dazu. Die Gemeinde Friesachviertel wird geteilt (Friesach und Friesach-St. Stefan)

1848 entsteht die politische Gemeinde St. Stefan aus Kirchenviertel, Forstviertel, Freßnitzviertel und der Katastralgemeinde Friesach-St. Stefan (nicht mehr Friesachviertel!). Im sogenannten „Krackorn“ (Krähengegend, eine Bezeichnung die seit 1445 bekannt ist) war Papierindustrie entstanden, die für das Gebiet immer wichtiger wurde. Der Name St. Stefan für die Gemeinde wurde 1907 zu Gratkorn (ab 1922 Marktgemeinde) und auch die Pfarre nennt sich ab 1933 so. Die Bevölkerung, die bis 1800 bei rund 1200-1500  Personen lag, begann durch Zuzug (auch aus Slowenien und Ungarn) zu wachsen: 1830: 1115 Personen, 1856: 1601, 1885: 2434, 1900: 3919 1929: 4200 Menschen.

1938 wurde die Gemeinde Schattleiten im Zuge der Eingemeindung nach Graz aufgelöst und in etwa jene Teile, die zur Pfarre Gratkorn gehörten, wurden als neue Katastralgemeinde Gratkorn-St.Veit Teil der Marktgemeinde, so dass heute wieder annähernde Übereinstimmung von Gemeinde- und Pfarrgrenzen besteht – ausser bei der Ortschaft Friesach.

Fährunglück bei Wallfahrt nach Straßengel

Am 18.5.1875 ereignet sich für die Pfarre ein schreckliches Unglück. Bei der Wallfahrt nach Maria Straßengel sinkt die Fähre wegen Überladung und Hochwasser der Mur mit 153 Personen, 98 ertrinken. Daran erinnert der Grabstein des Martin Rinner an der Kirchmauer, die Brautkrone der Juliana Huber in der Kapelle in Friesach und für die Errettung die vergrößerte Kapelle auf der Jasen.

Die Pfarre Gratkorn heute

1993/94 wurde mit dem Neubau des Pfarrheimes ein pastorales Zentrum geschaffen.
Mit 1. September 2010 wurde die Pfarre Gratkorn zusammen mit der Pfarre Semriach zum Pfarrverband.
Mit 1. September 2020 ist die Pfarre Gratkorn Teil des Seelsorgeraums GU-Nord zusammen mit den Pfarren Semriach, Deutschfeistritz, Stübing, Übelbach, Frohnleiten und Röthelstein.

Durch die Stadtnähe und durch weitere angesiedelte Betriebe steigt die Bevölkerungszahl ständig weiter. Mit Stichtag 1. Jänner 2020 leben 8054 Menschen in Gratkorn. Rund 2/3 sind Katholiken.

2022 endet die seelsorgliche Betreuung der Pfarre durch das St. Rein, die formell schon mit der Errichtung des Seelsorgeraums geendet hatte.

Zusammgestellt von Hans Preitler

Quellen:

  • Geschichte der Pfarre Gratkorn, Teil 1., P. Clemens Brandtner, 1994
  • Geschichte der Pfarre Gratkorn, P. Clemens Brandtner, 1980
  • Die Geschichte der Marktgemeinde Gratkorn Hg. Marktgemeinde Gratkorn, 1997
  • Die Steiermark im Frühmittelalter, Frühmittelalterliche Namen in der Steiermark, Hermann Baltl/ Fritz Lochner von Hüttenbach, 2004
  • Festschrift 750 Jahre Pfarre St. Veit, Fritz Allmer, 1976
  • Kumberg – Das Werden einer Kulturlandschaft, Heinrich Purkathofer, Andrea Menguser, 2006
  • Das Stift Rein, Seine Pfarren und die Amtsinhaber, P. Clemens Brandtner, 2000
  • Chronik der Pfarre St. Stefan in Gratkorn, Diözesanarchiv