Aktuelles aus dem Pfarrleben

Geschichte


Kleine Chronik der Pfarre Gratkorn und der Kirche St. Stefan

Vorgeschichte

Die bei der letzten Renovierung freigelegten Gegenstände (2017) belegen, dass hier eine “villa rustica” – also ein Landhaus als erstes Gebäude errichtet war. Es ist der einzige Fund eine römischen Gebäudes im Gratkorner Becken. Es war in mediterraner Bautechnik gebaut worden und stammt aus der römischen Kaiserzeit. Es wurden keine Gegenstände, die auf die Religion der Bewohner schließen lassen, gefunden.

Im Zuge der Völkerwanderung wurde das Gebiet unserer Pfarre von Karantanern (auch Alpenslawen genannt) besiedelt, die sich vor allem in den fruchtbaren Gebieten niederließen. Ob diese (teilweise) schon Christen waren (eventuell von Aquilea oder Byzanz aus missioniert) ist nicht belegt. Die Karantaner haben sich mit Hilfe der Baiuwaren von ihren Unterdrückern den Awaren befreit. Diese Germanen waren Christen und haben dann auch hier als Wirtschaftssystem das Lehensystem eingeführt. Für die Seelsorge haben sie Kirchen (Eigenkirchen) errichtet und Priester geholt und versorgt. Ab dem 11. Jahrhundert wurden ein flächendeckendes Netz von Pfarren errichtet, indem Priester mit eigenen Gütern und Besitzungen ausgestattet wurden um sich selbst versorgen zu können. In einigen dieser Pfarren wurden von den Bischöfen Archidiakon eingesetzt. Die anderen Pfarren und die  Eigenkirchen (die sich auch Pfarren nannten) wurden dann diesen zugeteilt, was als Archidiokant bezeichnet wurde. Für das Gebiet unserer heutigen Pfarre war dies St. Ruprecht in Gratwein (nicht gesichert, ob nicht Gratwein am Beginn ein Teil von St. Georg in Adriach war oder umgekehrt) und St. Ägid (der spätere Dom) in Graz. Viele Siedler verschiedenster germanischer, christlicher Völker kamen in der Folge hierher und hab noch freies Land besiedelt und im damals noch bewaldetem Gebiet Rodungsinseln geschaffen (bis ca. 1300).

Aus St. Veit ist bekannt, dass die Menschen dort einen Holzturm mit Flugdach als erste „Kirche“ errichtet hatten. Von unserer Kirche kann dies nur vermutet werden, da schon vermutlich um 1000 eine lange, schmale, gemauerte Kirche mit romanischer Grundform errichtet wurde.

Eigenkirche St. Stefan im Weiler Velgau

Kurz nach 1000 sind auch St. Stefan in Wien und St. Stefan in Kumberg (und noch viele weitere St. Stefan), beeinflusst von St. Stephan zu Passau, als Eigenkirchen entstanden. Anhand dieser Beispiele gilt es als sehr wahrscheinlich, dass auch hier bei uns  zuständige Adelige (Velgauer?) die Kirche als sogenannte Eigenkirche errichtet haben. Für eine eventuell schon vorher vorhandene Verehrung des Hl. Stephan aus Römerzeit oder durch die um 1000 vorhandenen Christen gibt es keinen Hinweis. Die Adeligen haben sich selbst um ihren Pfarrer für ihre Eigenkirche gekümmert und meist hat dieser auch auf dessen Sitz gewohnt. Der Kirchenweiler hieß „Velgau“ und der heutige Felbergraben „In der Velgau“. Ein Protokoll aus dem Jahr 1544 lässt mich vermuten, dass die Grafen von Montfort, die Lenghaimer und die Weißenegger, nach Verschwinden der Velgauer durch Stiftungen für das Lesen der Messe gesorgt haben, denn ein eigener Pfarrer wurde nicht mehr bezahlt und auch kein Besitz für einen möglichen Pfarrer geschaffen.

Erste urkundliche Nennung – Velgau wird St. Stefan

1373 findet sich dann die erste urkundliche Erwähnung im Zehentverzeichnis: „in sand Stephans Pfarr“ (hier fällt auf, dass Sankt Stefan als Pfarre bezeichnet wird). P. C. Brandtner dazu genauer im Pfarrblatt 1990-3: “… im Seckauer Lehensbuch. Darin ist verzeichnet, wie im Jahre 1373 Fridrich der Wolf zu Graz … zwai Tail des Hierszehent … in sand Stephans Pfarr erhält.”
2022 haben wir vom Diözesanarchiv eine Fotokopie des Deckblatts und der Seite mit der ersten Erwähnung erhalten.

Von dort weg verdrängt der Name der Kirche St. Stephan den Namen Velgau als Bezeichnung für den Kirchenweiler. Bereits 1390 (Im Marchfutterverzeichnis des Landesfürsten) wird die Ortschaft “sannd Steffan ob Endricz” angeführt. Das Gebäude Kirche wird 1395 erstmals erwähnt.

Vikariat St. Stefan

1390 gehört St. Stefan zu St. Ägid (spätere Dom), später zum Archidiakonat das ab 1435 von Gratwein geleitet wurde. 1450 wird St. Stefan als „ewiges Vikariat“ eingericht und die wirtschaftliche Basis für einen sich selbstversorgenden Priester als kleinen Grundherrn geschaffen. Dies ist durch den Archidiakon in Gratwein gemacht worden, wodurch einige Rechte und Abgaben bei Gratwein bleiben. Alle Pfarrer seit damals sind bekannt. Die Pfarrgrenzen bilden sich heraus und sind schon fast die heutigen, außer geringer Verschiebungen in Friesach und dass die Pfarre im Süden bald nach dem Dultbach an der damals bis hierher reichenden Pfarre St. Veit endete.

Stiftspfarre St. Stefan

Ab 1605 sind die Pfarrer dann Zisterzienser aus Rein.

1607 wird die Pfarre Gratwein dem Stift Rein übergeben und somit auf gleiche Stufe wie St. Stefan gestellt. Alle ehemaligen Vikariate und die Hauptpfarre Gratwein sind nun inkorporierte Pfarren des Stiftes Rein

Seit 1630 werden die Matriken (Taufbuch, Hochzeitsbuch, Sterbebuch) geführt. Allerdings ist jeweils ein Buch verschollen. (Taufe 1645-1670, Trauung 1645-1739, Sterbebuch 1645-1684)

1650 wird das heutige Kirchenschiff geschaffen, indem man die Außenmauern je um einen Klafter (= ca. 1,9 m) hinaus setzte. Der Kirchenbau hat heute spätgotische Elemente mit einer spätbarocken Einrichtung.

Pfarre und politische Gemeinde(n) – Aus St. Stefan wird Gratkorn

1770 wird das Gebiet innerhalb der damaligen Pfarrgrenzen geviertelt in Konskriptionsgemeinden, die den Katastralgemeinden Kirchenviertel, Friesachviertel, Forstviertel und Freßnitzviertel entsprechen. Südlich mit der Kirche St.Veit wird die Gemeinde Schattleiten errichtet und ist nur eine der vielen Gemeinden im Gebiet der Pfarre St. Veit.

Die gemeinsame politische und pfarrliche Grenze bleibt nur bis etwa 1786 der Josefinischen Pfarr-Regulierung. Einige Häuser aus der Pfarre St. Veit kommen dazu. Die Gemeinde Friesachviertel wird geteilt (Friesach und Friesach-St. Stefan)

1848 entsteht die politische Gemeinde St. Stefan aus Kirchenviertel, Forstviertel, Freßnitzviertel und der Katastralgemeinde Friesach-St. Stefan (nicht mehr Friesachviertel!). Im sogenannten „Krackorn“ (Krähengegend, eine Bezeichnung die seit 1445 bekannt ist) war Papierindustrie entstanden, die für das Gebiet immer wichtiger wurde. Der Name St. Stefan für die Gemeinde wurde 1907 zu Gratkorn (ab 1922 Marktgemeinde) und auch die Pfarre nennt sich ab 1933 so. Die Bevölkerung, die bis 1800 bei rund 1200-1500  Personen lag, begann durch Zuzug (auch aus Slowenien und Ungarn) zu wachsen: 1830: 1115 Personen, 1856: 1601, 1885: 2434, 1900: 3919 1929: 4200 Menschen.

1938 wurde die Gemeinde Schattleiten im Zuge der Eingemeindung nach Graz aufgelöst und in etwa jene Teile, die zur Pfarre Gratkorn gehörten, wurden als neue Katastralgemeinde Gratkorn-St.Veit Teil der Marktgemeinde, so dass heute wieder annähernde Übereinstimmung von Gemeinde- und Pfarrgrenzen besteht – ausser bei der Ortschaft Friesach.

Fährunglück bei Wallfahrt nach Straßengel

Am 18.5.1875 ereignet sich für die Pfarre ein schreckliches Unglück. Bei der Wallfahrt nach Maria Straßengel sinkt die Fähre wegen Überladung und Hochwasser der Mur mit 153 Personen, 98 ertrinken. Daran erinnert der Grabstein des Martin Rinner an der Kirchmauer, die Brautkrone der Juliana Huber in der Kapelle in Friesach und für die Errettung die vergrößerte Kapelle auf der Jasen.

Die Pfarre Gratkorn heute

1993/94 wurde mit dem Neubau des Pfarrheimes ein pastorales Zentrum geschaffen.
Mit 1. September 2010 wurde die Pfarre Gratkorn zusammen mit der Pfarre Semriach zum Pfarrverband.
Mit 1. September 2020 ist die Pfarre Gratkorn Teil des Seelsorgeraums GU-Nord zusammen mit den Pfarren Semriach, Deutschfeistritz, Stübing, Übelbach, Frohnleiten und Röthelstein.

Durch die Stadtnähe und durch weitere angesiedelte Betriebe steigt die Bevölkerungszahl ständig weiter. Mit Stichtag 1. Jänner 2020 leben 8054 Menschen in Gratkorn. Rund 2/3 sind Katholiken.

2022 endet die seelsorgliche Betreuung der Pfarre durch das St. Rein, die formell schon mit der Errichtung des Seelsorgeraums geendet hatte.

Zusammgestellt von Hans Preitler

Quellen:

  • Geschichte der Pfarre Gratkorn, Teil 1., P. Clemens Brandtner, 1994
  • Geschichte der Pfarre Gratkorn, P. Clemens Brandtner, 1980
  • Die Geschichte der Marktgemeinde Gratkorn Hg. Marktgemeinde Gratkorn, 1997
  • Die Steiermark im Frühmittelalter, Frühmittelalterliche Namen in der Steiermark, Hermann Baltl/ Fritz Lochner von Hüttenbach, 2004
  • Festschrift 750 Jahre Pfarre St. Veit, Fritz Allmer, 1976
  • Kumberg – Das Werden einer Kulturlandschaft, Heinrich Purkathofer, Andrea Menguser, 2006
  • Das Stift Rein, Seine Pfarren und die Amtsinhaber, P. Clemens Brandtner, 2000
  • Chronik der Pfarre St. Stefan in Gratkorn, Diözesanarchiv