Hirtenbrief vom 24. Jänner 2015, Diözesanbischof Dr. Egon Kapellari, Graz-Seckau.
Liebe katholische Christen in der Steiermark – Frauen, Männer und junge Leute und in ihrer Mitte liebe Priester, Diakone, Ordensfrauen und Ordensmänner!
Diesen Brief schreibe ich Ihnen auf den Tag genau 33 Jahre nach meiner Bischofsweihe im Dom von Klagenfurt und ich schreibe ihn, weil Papst Franziskus in wenigen Tagen meinem wiederholten Ersuchen um Entpflichtung vom Amt und Dienst des Diözesanbischofs entsprechen wird.
Vor vier Jahren habe ich aus Anlass der Vollendung meines 75. Lebensjahres, entsprechend dem Kirchenrecht, Papst Benedikt XVI. um meine Entpflichtung gebeten. Der Papst hat dieses Gesuch „nunc pro tunc“ („jetzt für später“) angenommen und zugleich wurde meine Amtszeit um zwei Jahre verlängert. Diese Frist war aber kein verbindlicher Rahmen und ich bin seither durch weitere zwei Jahre Diözesanbischof von Graz-Seckau gewesen. Diese Zeit wurde keineswegs als Provisorium gestaltet. Gemeinsam mit den Hauptverantwortlichen in der Leitung der Diözese und den zuständigen Gremien wurden aktuelle Herausforderungen betreffend Gegenwart und Zukunft wahrgenommen und angenommen und es wurde mit dem Projekt „Diözesaner Weg“ eine Perspektive in die Zukunft gelegt. Dies insbesondere, aber weitaus nicht nur im Blick auf das 800-Jahr-Jubiläum der Diözese im Jahr 2018.
Vor wenigen Tagen ist mein 79. Lebensjahr zu Ende gegangen. Auch deshalb, aber besonders weil ich bei im Ganzen guter Gesundheit durch Probleme betreffend die Funktionsfähigkeit beider Knie mehr und mehr beeinträchtigt war und bin, habe ich im Einvernehmen mit dem Apostolischen Nuntius und der römischen Kongregation für die Bischöfe erneut eindringlich um meine Entpflichtung gebeten. Diesem Wunsch wird nun entsprochen und ich beende mit dem Datum der Veröffentlichung dieser Entscheidung meine 33 Jahre in der Leitung zunächst der Diözese Gurk-Klagenfurt und seit März 2001 der Diözese Graz-Seckau. Entsprechend den Canones des Codex Iuris Canonici 416-430 wird durch das Collegium Consultorum (in unserer Diözese hat das Domkapitel diese Funktion) innerhalb von acht Tagen ein Diözesanadministrator gewählt werden.
Mein Abschied von der Leitung der Diözese ist zeitlich nicht schon mit der Ernennung eines neuen Diözesanbischofs verbunden. Wenn ein Gesamtblick auf die vergangenen vier Jahre und auf die Suche nach Kandidaten nicht gegeben ist, wird man leicht geneigt sein, dies zu kritisieren. Ein wichtiger Grund für diese Verzögerung lag beziehungsweise liegt in der Berufung unseres bisherigen Weihbischofs Dr. Franz Lackner zum Erzbischof von Salzburg. Ich bitte Sie alle, liebe katholische Christen in unserer Diözese, in dieser Verzögerung auch eine Fügung zu erkennen und anzunehmen.
Ein 90-jähriger Priester in Vorarlberg wurde aus Anlass seines 60-Jahre-Priesterjubiläums von Bischof Benno Elbs gefragt, ob er im Rückblick auf diese lange Zeit etwas Zusammenfassendes sagen wolle. Der alte Mann hat nach kurzem Nachdenken gesagt: „Es hat sich alles durch die göttliche Vorsehung gut gefügt.“ Erzbischof Lackner und ich haben in Kenntnis dieser Erzählung gesagt, dass auch jeder von uns beiden dies im Blick auf seine bisherige Lebens- und Glaubensgeschichte in voller Überzeugung sagen kann.
Ich bitte Sie, liebe Katholiken der Steiermark, mit mir gemeinsam darauf zu vertrauen, dass sich auch betreffend die Frage meiner Nachfolge im Bischofsamt alles gut fügen wird, weil die für eine diesbezügliche Entscheidung Verantwortlichen in Kenntnis der Gesamtsituation der Kirche in Österreich und in Steiermark gewiss höchst verantwortlich handeln und entscheiden werden. Gerade in der jetzigen Situation von Kirche und Gesellschaft europaweit und weltweit müssten wir unsere Bemühungen um ein gutes Miteinander nicht nur beibehalten, sondern sogar verstärken. Und vor allem bitte ich Sie, diese Entscheidung mit inständigem Gebet zu begleiten.
Dieser Brief ist mein letztes offizielles Schreiben als Diözesanbischof. Ich werde in der Diözese bleiben und helfen, wo ich noch kann und gebraucht werde. Ich werde mich aber keineswegs in Entscheidungen irgendwelcher Art einmengen. Und ich hoffe, wie ich schon öfter gesagt habe, dass sich dann auch der „Mönch in mir“ stärker entfalten kann.
Ich beende dieses Schreiben zunächst mit einem großen Dank an Gott, dessen Führung und Fügung ich in vielen Jahrzehnten immer neu erfahren habe. Mein besonderer Dank gilt dann vielen lebenden oder schon verstorbenen Menschen, Christen, aber auch Nichtchristen und Menschen ohne religiöses Bekenntnis. Ich danke dabei aber besonders den Priestern und allen anderen amtlich in der Kirche Tätigen und den unzähligen ehrenamtlich wirkenden Katholiken. Mein zutiefst empfundener Dank gilt den sogenannten „Stillen im Lande“, den Beterinnen und Betern, die oft verborgen und stellvertretend für viele andere Gott eine lobende, bittende und dankende Antwort auf das Wort geben, das er in Schöpfung und Erlösung gesprochen hat und immer neu spricht. Mein Dank gilt auch vielen Medienschaffenden und vielen in Politik und Kultur prägend Tätigen oder tätig gewesenen Frauen und Männern.
Und nun wirklich am Schluss dieses Briefes angekommen, zitiere ich, was der heilige Augustinus in den letzten Zeilen eines seiner Hauptwerke, nämlich „De civitate Dei“ – auf Deutsch: „Der Gottesstaat“ –, gesagt hat. Der Bischof von Hippo schreibt dort, er habe nun mit Gottes Hilfe dieses Werk vollendet und jene, für die es zu viel oder zu wenig sei, mögen ihm dies verzeihen. Jene aber, die dies für genug erachten, mögen nicht ihm, dem Bischof von Hippo, sondern Gott mit ihm danken. Und Augustinus, dessen Namen auch unser großes Zentrum für Bildung und Berufung trägt, hat wie ein Siegel auf diesen langen Text zweimal das Wort „Amen“ hinzugefügt: „Amen. Amen.“
Liebe katholische Christen!
Der Segen des dreieinigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, sei und bleibe mit Ihnen auf dem Weg Ihres Lebens und Glaubens.
+ Egon Kapellari
Diözesanbischof
Graz, am 24. Jänner 2015, dem Fest des heiligen Bischofs Franz von Sales